Natürlicher Lebensraum

Natürlicher Lebensraum, Sara Contini-Frank

Blumentapete, eine feine Schürze und einige Springformen an der Wand, frische Rhabarberstangen auf dem großen Küchentisch und unzählige Kochbücher drunter. Alles etwas altmodisch und doch erfrischend. Im Natürlicher Lebensraum fühle ich mich wie in einer schönen, alten Wohnung am Sonntagnachmittag. Die himmlisch duftenden Croissants sind genau auf Augenhöhe und kommen gleich aus dem Ofen.

Hier darf nämlich die Küche betreten und ihre Cafétische benutzt werden! Es sei denn, Antje ist gerade kräftig am Backen. Aber auch dann bleibt die Tür offen, man kann von der Schwelle die Nase reinhalten und mit der jungen Besitzerin plaudern, als sei sie gar nicht am Arbeiten.

Nicht nur die Torten, die sie dabei zaubert, sind ein Augenschmaus. Als sie mir erzählt, „man macht es entweder richtig oder gar nicht“, trägt sie eine stilvolle schwarze Konditoruniform mit roten Knöpfen, einige Ohrpiercings und süße Filzpantöffelchen. Sie hat sich eindeutig für richtig entschieden.

Hier das Interview mit der Inhaberin des Natürlicher Lebensraum.

Seit wann gibt’s das Café Natürlicher Lebensraum?
Seit dem 1. April 2013. Der Name des Cafés wurde mir aber schon vor Jahren klar, als ich überlegte, was ich möchte und wo ich mich sehe. Mein Beruf, die Gastronomie, ist meine Berufung und so habe ich mir meinen eigenen Lebensraum geschaffen, in dem ich mich am wohlsten fühle!

Was hast du davor gemacht?
Ich habe im Berliner Hilton Restaurantfachfrau gelernt und dabei an einem internen Austauschprogramm in Ägypten teilgenommen. Zurück in Berlin war ich im Adlon, wo ich ein Management-Training absolviert habe. Dann habe ich das alles hinter mir gelassen, um mein eigenes Projekt anzugehen. Ich wollte das Kaffee-Handwerkliche lernen, so habe ich in der Berliner Kaffeerösterei als Kellnerin angefangen, später war ich Barista und aufgehört habe ich als Restaurantleiterin. Während der Vorbereitungsphase hatte ich dann einen Halbtagsjob als Barista hier in Moabit, im Fiaker, bis ich mich ausschließlich ganz intensiv meinem Café gewidmet habe. Vier Monate später war es dann so weit: Das Geld endlich durch und nach drei Monaten Renovierung konnte ich eröffnen.

Woher kommst du?
Ich komme ursprünglich aus Potsdam. Dort bin ich geboren, aufgewachsen bin ich aber in Brandenburg an der Havel. Und nach dem Abi bin ich nach Berlin zur Ausbildung gezogen.

Was sind deine ersten Moabit-Erinnerungen?
Vor fünf Jahren war ich gerade nach Moabit gezogen und bin über die Turmstraße gelaufen, zu meiner neuen Wohnung. Dabei hatte ich das Gefühl, die einzige Deutsche zu sein. Das war für mich ganz neu und hat mich zugleich an Ägypten zurückerinnert. Ich fand es toll und aufregend!

Weshalb steht das Natürlicher Lebensraum hier in Moabit?
Als ich am Überlegen war, wo das Café stehen sollte, wollte ich eigentlich nach Mitte. Aber im Laufe der Recherche habe ich gemerkt, dass viele meiner Freunde und Bekannte hier in Moabit leben. Und da ich wollte, dass meine Freunde Teil des Konzepts sind, konnte ich ja nicht so weit weg. Viele waren bei den Vorbereitungen involviert und haben mir dabei geholfen, Kuchenverkostungen in Moabit zu organisieren, Stühle abzuschleifen und neu zu streichen, Sammelporzellan von ihren Familienmitgliedern aufzutreiben usw. Es machte also nur hier Sinn, und nirgendwo sonst!

Was hast du für Kundschaft?
Total gemischt: Studenten, Hippies, Ökos, junge Mütter, Eltern, Berufstätige, Middle-Ager, Rentner, teilweise so alte Senioren, dass sie Hilfe über die Stufe brauchen, wenn sie hier reinkommen. Also alles, eine ganz tolle Vielfalt!

Was ist die Motivation deiner Kunden, hierherzukommen?
Für die ältere Kundschaft ist der Kuchen der Anreiz! Sie kennen das „Konditern“ von früher: Zum Konditor gehen und Kuchen kaufen. Die Kaffeekultur steht viel mehr beim jungen Publikum im Vordergrund. Und der Kuchen entwickelt sich erst später zum Hauptprodukt, wenn sie dann schon mal hier waren und den gesehen haben: „Oh ja, dann nehmen wir beides.“

Was wird am meisten bestellt?
Die Klassiker gehen immer: Cappuccino, Latte Macchiato [in außergewöhnlichen Doppelwandgläsern], Kaffee, Milchkaffee. Und die Getränke aus unserer wechselnden Saisonkarte, zum Beispiel gerade die Erdbeer-Basilikum-Limonade, die läuft wie verrückt. Natürlich auch der Kuchen. Unendlicher Star ist mein Heidelbeer-Cheesecake, der sieht schon von der Farbe her fantastisch aus. Der Rüblikuchen geht auch ohne Ende, gerade habe ich keinen mehr, ich werde gleich noch nachproduzieren.

Wer sind deine Mitarbeiter?
Wir sind im Moment zu viert: zwei Mädels, ein Junge und ich. Die Serviererinnen heißen „Steph“, also Stephanie, und Nicole. Tristan ist Deutschamerikaner, in Deutschland aufgewachsen. Alle leben in Berlin.

Was ist Kurioseste, was hier je passiert ist?
Ich habe wahnsinnig viele tolle Begegnungen, weil jeder, der dich aus früheren Schulzeiten kennt und in Facebook erfahren hat, was du jetzt machst, der steht auf einmal hier. Du rechnest ja gar nicht damit und kriegst den Mund gar nicht mehr zu. Das sind schon manchmal kuriose und wunderschöne Momente aus der Vergangenheit. So war es auch mit meinem Partner: Wir hatten uns vor zwei Jahren kennengelernt, aber leider aus den Augen verloren, weil unsere Wege zu dem Zeitpunkt nicht zueinandergepasst haben. Dann gab es im Herbst letzten Jahres einen Zeitungsartikel in der Zitty, wo ein Foto von mir war. Und so stand er eines Tages auch hier im Laden … Wir sind zusammengekommen und total glücklich!

Moabit war …
… Anlaufpunkt für alle Kulturen.

Moabit wird …
… schwierig, weil wir aufpassen müssen, wo es hingeht.

Moabit braucht …
… noch mehr Cafés.