Tirree

Tirree, Sara Contini-Frank Das Tirree ist ein durch und durch ungewöhnliches Café am U-Bahnhof Birkenstraße. Schon die Einrichtung ist ziemlich originell: zusammengewürfelte Stühle und Sessel, umfunktionierte Klositze, dunkelgraue Wände und große Fensterscheiben, die ab und zu bemalt werden.

Die meisten Speisen sind selbst gemacht, zum großen Teil vegan, ohne dass damit hausiert wird. Wenn man frühstücken möchte, gibt man eine Richtung vor, z.B. herzhaft, süß oder vegetarisch, und die Größe des Appetits: Klein macht 5, groß 10 €. Dafür kriegt man jedes Mal einen anderen, leckeren Überraschungsteller.

Es ist immer was los: alle fünf Wochen die Vernissage einer neuen Ausstellung, mal eine Sammelaktion für syrische Flüchtlinge oder ein Livekonzert – mit Straßenunterhaltungsprogramm kostenlos dazu.

Für Moabit am Sonntag habe ich den Inhaber Stefan Tirree interviewt.

Seit wann gibt’s das Tirree?
Seit August 2013. Für die Bauphase hatte ich nur einen Monat Zeit. Mein Vater hat mir viel geholfen: Er ist immer von Bonn nach Berlin gefahren, Donnerstag hin, Sonntag wieder zurück. Er wollte nichts dafür haben, so habe ich irgendwann gesagt: „Hey, weißt du was, dann nenne ich das Café Tirree“. Einfach als Familiengeschenk.

Was hast du davor gemacht?
Ich habe bei einem kleinen Cateringunternehmen gearbeitet, das „zwölf.uhr.mittags“ in der Kirchstraße. Ein kleines, feines Mittagstischunternehmen, das in der Endphase zum Caterer für große Firmen geworden ist. Aber eigentlich komme ich aus dem Einzelhandel und bin Handelsassistent. Ich war bei H&M und bei einem französischen Textilunternehmen, dessen Name ich NICHT verraten werde.

Woher kommst du?
Aus dem Rheinland, bei Bonn. Ein kleines Kaff: Remagen, Bad Bodendorf – das kennt keine Sau. Außer meiner Großfamilie leben da, glaube ich, nur fünf Kühe, zwei Hunde und das war’s. Vor fünf oder sechs Jahren kam ich nach Berlin, direkt nach Moabit. Ich habe mich gleich heimisch hier gefühlt. Und seitdem nie den Kiez gewechselt.

Was sind deine ersten Moabit-Erinnerungen?
Wie ich direkt vor der Haustür aus dem Familienbus ausgestiegen bin und die Kaution für meine Wohnung dem Hausmeister gleich in die Hand drücken musste, ohne je eine Quittung zu erhalten. Das sei so üblich.

Weshalb steht das Tirree hier in Moabit?
Ich wollte primär etwas in Moabit machen. Ich glaube an diesen Kiez, diese Vielfalt und diese Urigkeit. Ich wollte ein Café öffnen, wo sich jeder wohlfühlt. In Moabit fehlte mir so ein Treffpunkt, wo jeder mit jedem quatscht und Spaß hat.

Was hast du für Kundschaft?
Ich kann dir sagen, welche Kundschaft ich nicht habe: Das sind die Tussis. Sonst habe ich querbeet alles: Sehr viele Kiezler, Touristen kommen auch her, aber nicht so viele. Gerade saß draußen ein Rocker, der junge Mann [zeigt auf jemanden, draußen sitzend] ist ein Student, hinten gibt’s noch drei Leute, die Häuser hier in der Straße haben …  Meine zwei liebsten Stammgäste feiern bald ihren 50. Geburtstag. Und ich hoffe immer noch, dass das ältere Ehepaar, das seit 30-40 Jahren Ehe immer Händchen haltend vorbei läuft, irgendwann hier reinkommt. Das wäre schön, dann habe ich mein Ziel erreicht!

Was ist die Motivation deiner Gäste, hierherzukommen?
Die Leute kommen wegen gutem Essen, wegen der Atmosphäre, die durch die Gäste und die Mitarbeiter geprägt wird, und natürlich wegen Karl, unserem Hund! Ja, die kommen alle nur wegen Karl!!!

Was wird am meisten bestellt?
Unser Bircher Müsli und unser selbst gemachte Eistee. Der Eistee ist teilweise mit Pfefferminze, teilweise mit grünem Tee, und auch mal auf Früchtetee-Basis, da kommen immer frische Früchte rein. Das variiert, je nachdem was wir da Frisches haben.

Wer sind deine Mitarbeiter?
Die meisten sind hier aus dem Kiez und studieren. So wie es oft im Leben ist, sind sie über Freunde von Freunden oder durch Zufälle zu uns gekommen. Es ist eine kleine Gemeinschaft. Es kann auch mal sein, dass ein Gast kurz aushilft, ja, das ist alles ziemlich entspannt hier!

Was ist Kurioseste, was hier je passiert ist?
Das passiert eigentlich täglich: Die Kreuzung Birken-/Wilhelmshavener Straße birgt jeden Tag das kurioseste und freakigste Unterhaltungsprogramm. Aber das Unvergesslichste war als Karl letztes Jahr „mitgenommen“ wurde. Fast ganze zwei Tage war er verschwunden, Und der ganze Birkenkiez hat mitgeholfen, ihn zu suchen: Der Post bei facebook wurde 18 Mal geteilt und überall hängen immer noch Zettel, die die Leute verteilt haben. Irgendwann hat eine Familie angerufen, ihr Neffe hätte Karl mitgenommen, er sei aber gerade in der Schule … Es ging hin und her wie in einem Krimi. Schließlich hat man uns Karl in einem dunklen Park übergeben – und es war wunderschön, ihn nach 45 Stunden Trennung wieder zu haben!

Moabit war …
… schon immer eine Insel.

Moabit wird …
… hoffentlich auch immer eine Insel bleiben.

Moabit braucht …
… keine steigenden Mieten. Nein, Moabit braucht nichts, Moabit hat schon alles.